Projektbeschreibungen 2005

Naturschutzfachliche Bewertung im Zuge der Umsetzung des Bebauungsplanes Nr. 4 zur Errichtung eines Nahversorgungszentrums im Stadtteil Friedrichsberg/Schleswig

Gutachterliche Stellungnahme im Auftrag von Frank Springer, Freier Landschaftsarchitekt, Busdorf.

Im Rahmen eines der städtebaulichen Entwicklungsziele der Stadt Schleswig soll der Stadtteil Friedrichsberg infrastrukturell gefördert und neue Nutzungsimpulse gesetzt werden. Insbesondere die Friedrichstraße wird nach dem städtebaulichen Leitbild eine Aufwertung als zentrale Achse des öffentlichen Lebens erfahren. In diesem funktionalen Zusammenhang sieht der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 4 "Nördlicher Friedrichsberg" die Errichtung eines Nahversorgungszentrums zwischen Friedrichstraße und Georg-Pfingsten-Weg sowie die Erschließung bisheriger Grünflächen östlich des Georg-Pfingsten-Weges für die Schaffung von Parkplätzen vor.
Der überwiegende Teil des etwa 5,0 ha großen Planungsbereiches liegt dabei in bereits baulich erschlossenen Bereichen. Für den Bau der Stellplätze werden im Norden Flächen der ehemaligen Gärtnerei in Anspruch genommen (ca. 2.500 m²). Die für den Bau der Stellplätze benötigte Fläche des Erlenbruchwaldes (vgl. Abbildung 1) beträgt ca. 5.000 m². Es ist davon auszugehen, dass das derzeitige Geländeniveau im Bereich der Stellplätze deutlich angehoben werden muss, um die vorhandenen Höhenunterschiede nach Norden, Süden und Westen auszugleichen. Dementsprechend wird an der Ostseite der Stellplätze eine neue Böschung entstehen.



Abbildung 1: Darstellung der vom Eingriff betroffenen Fläche des Erlenwaldes

In diesem Zusammenhang wurde die leguan gmbh Anfang Juli 2005 damit beauftragt, eine naturschutzfachliche Bewertung für den geplanten Eingriff vorzunehmen. Dabei lag der Fokus der Untersuchung auf der Erfassung der "streng geschützten Arten" nach § 10 (2) Nr. 11 BNatSchG und der Ausweisung aller relevanten Biotoptypen innerhalb des Planungsraumes.

Eine zusätzliche Recherche ergab, dass sich im Umfeld des Projektgebietes drei Natura 2000-Gebiete befinden. Dabei handelt es sich um:

  • 1423-392 "Schlei inkl. Schleimünde und vorgelagerte Flachgründe", etwa 470 m östlich des Projektgebietes
  • 1423-302 "Tiergarten", etwa 1.500 m westlich des Projektgebietes
  • 1523-381 "Busdorfer Tal", etwa 1.400 m südlich des Projektgebietes
Die Prüfung der Verträglichkeit nach Art 6(3) FFH-RL und damit die Prognose potenzieller Eingriffsfolgen sowie die Darstellung funktionaler Zusammenhänge erfolgt in separaten Ausarbeitungen der leguan gmbh.

Im Bereich der geplanten Stellplätze konnten drei flächendominante Biotoptypen und ein Linienbiotoptyp (inkl. Begleitsaum) nachgewiesen werden:
  • Erlenwald entwässerter Standorte (WEt)
  • Gewerbegebiet (SIg)
  • Sonstiger Pionierwald (WPy)
  • Nährstoffreicher Graben (FGr) mit begleitenden Uferstaudenfluren
Im gesamten Planungsraum konnten keine gesetzlich geschützten Biotope nach §§ 15a und 15b LNatSchG nachgewiesen werden. Obwohl der betroffene Feuchtwaldbereich (vgl. Abbildung 2) in den vorliegenden Scoping-Unterlagen noch als "Bruchwald" mit gesetzlichem Schutzstatus nach § 15 Abs.1 Nr. 4 LNatSchG geführt wird, konnte diese Ansprache nach der Untersuchung des Bereichs nicht bestätigt werden. Der hohe Anteil an Mineralisierungs- bzw. Nährstoff-/Stickstoffzeigern auf der Fläche ist charakteristisch für entwässerte, teilmineralisierte Bruchwaldstandorte und betont den aus naturschutzfachlicher Sicht geringen Wert des betroffenen Bereichs. Somit ist die vorgenommene Klassifikation als nicht geschützter "Erlenwald entwässerter Standorte (WEt)" gemäß der Standardliste der Biotoptypen in Schleswig-Holstein (LANDESAMT FÜR NATUR UND UMWELT DES LANDES SCHLESWIG-HOLSTEIN 2003) gerechtfertigt. Auch alle anderen untersuchten Biotopstrukturen unterlagen keinem Schutzstatus.


Abbildung 2: Erlenwald-Bereich der Eingriffsfläche

Im untersuchten Planungsraum wurden keine "streng geschützten Arten" nach § 10 (2) Nr. 11 BNatSchG nachgewiesen. Das ist primär mit fehlender Habitateignung der vorhandenen Strukturen zu begründen. Darüber hinaus kann nicht davon ausgegangen werden, dass für die hier angesprochenen Arten auch in der näheren Umgebung des Planungsraumes geeignete Lebensraumstrukturen zur Verfügung stehen. Somit haben die untersuchten Grünflächen in ihrer derzeitigen Ausprägung, die als stark anthropogen überprägt und gestört gelten können, nur eine geringe Wertigkeit aus naturschutzfachlicher Sicht.

Es liegen dementsprechend keine Ergebnisse im Rahmen dieser Untersuchung vor, die dem geplanten Vorhaben in besonderem Maße entgegenstehen. Dennoch sollen im Folgenden mögliche Eingriffswirkungen prognostiziert werden:
  • Versiegelung etwa 2500 m² Grünfläche im Bereich der ehemaligen Gärtnerei und etwa 5000 m² Grünfläche im Bereich des Erlenwaldes (nach derzeitigem Planungsstand) und damit genereller Lebensraumverlust,
  • erhöhte Lichtemissionen als Negativfaktor für die Nachtfalter, aber dementsprechend erhöhte Attraktivität für Fledermäuse als Jagdrevier
  • mögliche Stoffemissionen in die Entwässerungsgräben während der Bau- und Betriebsphase
  • Verlust von etwa 25 Saatkrähennestern durch Fällung der Horstbäume (nach derzeitigem Planungsstand)
Als Vermeidungsmaßnahme ist dafür zu sorgen, dass eine Kontaminierung der Meliorationsgräben während der Bau- und Betriebsphase unterbleibt, um ihre Lebensraumfunktion nicht unnötig einzuschränken. Außerhalb des unmittelbaren Eingriffs ist weiterhin eine massive Räumung und dementsprechender Verlust der die Gräben flankierenden Großstaudenfluren zu unterlassen. Diese stellen insbesondere während der Blühphase wichtige Nahrungsressourcen für Großschmetterlinge und eine Vielzahl anderer Wirbelloser dar. Zusätzlich ist der Bau der Stellplätze möglichst außerhalb der Monate März-September durchzuführen, um aus Tierschutzgründen Störungen bzw. Verluste insbesondere von Saatkrähenbruten zu vermeiden.



Hier zitierte Literatur:

LANDESAMT FÜR NATUR UND UMWELT DES LANDES SCHLESWIG-HOLSTEIN (LANU) (Hrsg.), 2003: Standardliste der Biotoptypen in Schleswig-Holstein. 2. Fassung. Flintbek.

Projektmitarbeit

Dipl.-Ing. (FH) Holger Gruß
Dipl.-Geogr. Dipl.-Biol. Dr. Manfred Haacks
Dipl.-Ing. Alke Myrzik
Dipl.-Biol. Rolf Peschel

Projektverzeichnis auf dem leguan-Server Zugang nur mit Berechtigung möglich.

Aktualisierung: 12.12.2008