Projektbeschreibungen 2002

Kumulative Eingriffs- und Ausgleichsbewertung für Planungen im Süden Lübecks. Erweiterung des Hochschulstadtteils, Bebauung Bornkamp, Airport Business Park-Lübeck-Blankensee, Flughafenerweiterung Lübeck-Blankensee, Neubau der B 207

Gutachten im Auftrag von TGP, Lübeck, 2001 - 2002.

Im Februar 2001 wurde die leguan gmbh damit beauftragt, ein Konzept für Ausgleich und Ersatz auf Grundlage einer kumulativen Betrachtung der Eingriffsvorhaben Erweiterung des Hochschulstadtteils, Bebauung Bornkamp, Bau des Airport Business Parks-Lübeck-Blankensee (in erweiterter Form), Flughafenerweiterung Lübeck-Blankensee, Neubau der B 207 und Bau der A 20, für deren Ausgleich bereits Flächen im südlichen Stadtgebiet Lübecks vorgesehen waren.
Die Notwendigkeit einer kumulativen Betrachtung ergab sich aufgrund folgender Aspekte:

  • Die oben angeführten Projekte wirkten sich z. T. auf die gleichen Elemente des Naturhaushalts aus.
  • Es sollten im Sinne der Naturschutzgesetze die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Hinblick auf die Qualität der hier beeinträchtigten Fauna geschaffen werden. Dies beinhaltete insbesondere die Prüfung, inwieweit die beeinträchtigten Landschaftselemente bzw. die betroffenen Organismen soweit gefördert werden können, dass nach der Umsetzung der Vorhaben die vorherige Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts (vgl. § 18 Abs. 1 BNatSchNeuregG und § 8 Abs. 2 LNatSchG) bezogen auf die Fauna des betrachteten Raumes im Wesentlichen erhalten bleibt.
  • Wegen der möglichen Auswirkungen auf ein bestehendes EU-Vogelschutzgebiet sowie auf ein potenzielles FFH-Gebiet hatte eine FFH-Verträglichkeitsprüfung zu erfolgen.
Es ließ sich feststellen, dass die Einzelprojekte in ihren Auswirkungen nicht lokal begrenzt waren. Dieses ergab sich aus der Tatsache, dass z. B. eine Reihe der betroffenen Trockenrasenarten im Raum als Metapopulationen existierten. Das Vorhandensein von Metapopulationen kann für Trockenrasenarten insbesondere der Zauneidechse belegt werden und ist für Amphibienarten (z. B. Kammmolch) sehr wahrscheinlich. Ein Konzept für Ausgleich und Ersatz der betreffenden Projekte, musste daher die räumlichen Bezüge zwischen verbleibenden und neu zu gestaltenden Habitaten inklusive zerschneidender Strukturen berücksichtigen.

Das Gesamtkonzept für Ausgleich und Ersatz basierte auf:
  • vorhandenen Gutachten aus den Untersuchungen zur BAB A20, B 207 sowie zum Hochschulstadtteil und Airport Businesspark-Lübeck-Blankensee (u. a. Projekte 601, 602, 1003, 1008, 1011, 1014 und 1106)
  • vorhandenen Daten der UNB Lübeck
  • Geländebegehungen zum Abgleich älterer Daten.
Es wurde aufgrund der vorhandenen Datendichte ein Bewertungsmodell vorgestellt, das im Unterschied zu pauschalierenden Systemen die tatsächlichen Eingriffsfolgen bewertet und einen adäquaten Ausgleich ermittelt. Dies wird über die Herleitung von Leit- und Zielarten auf der Grundlage der umfangreichen faunistischen Erhebungen möglich. So können konkret wieder herzustellende Qualitäten beschrieben werden.

Die Vorkommen von Leitarten belegen aus naturschutzfachlicher Sicht generell besonders günstige Zustände der Landschafts- bzw. Lebensraumtypen. Die im Untersuchungsraum relevanten Leitarten zeichnen sich entweder durch eine besonders starke Bedrohung ihrer Bestände (z. B. Grauammer), einen hohen Vergesellschaftungsgrad mit anderen typischen Vertretern des betreffenden Lebensraumtyps (z. B. Kammmolch und Zauneidechse) oder sehr komplexe Habitatansprüche (z. B. Zauneidechse) aus. Sie sind als Zielarten für die Entwicklung und Stabilisierung entsprechender konkreter Lebensräume in hohem Maße geeignet. Allen Zielarten gemeinsam ist, dass sich ein auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes Konzept für Ausgleich und Ersatz auf die gesamte Lebensgemeinschaft der entsprechenden Lebensräume positiv auswirkt.

Nachfolgend sollen die betreffenden Leit- und Zielarten aufgeführt und die Hintergründe für ihre Ausweisung kurz umrissen werden:
  • Kammolch
    Vom Kammmolch besiedelte Kleingewässer stellen i. d. R. amphibienreiche Gewässer dar. Maßnahmen, von denen der Kammmolch profitiert, nützen fast allen anderen Amphibienarten.

  • Zauneidechse
    Die Zauneidechse besiedelt Trockenrasen mit komplexer Habitatausstattung:
    • sonnenexponierte Lage,
    • unbewachsene Teilflächen (Eiablageplätze),
    • spärliche bis mittelstarke Vegetation unterschiedlicher Höhe (Jagdhabitat),
    • Kleinstrukturen wie Steine, Totholz etc. als Sonnenplätze
    Derartig reich strukturierte Lebensräume dienen zahlreichen typischen Vertretern der Trockenrasen.

  • Grauammer
    Die Grauammer besiedelt Feldfluren und Dörfer. Besonders begünstigend für den Grauammerbestand sind ein kleinräumiges Nutzungsmosaik, Brachen und extensive Nutzungsformen.
    Maßnahmen zur Förderung der Grauammern wirken auch auf andere gefährdete oder bestandsbedrohte Arten positiv, insbesondere aber auf die Avifauna (z. B. Wachtel und Rebhuhn).

  • Neuntöter
    Der Neuntöter ist ein typischer Vertreter der Knicklandschaft. Bevorzugt werden Flächen mit Dornsträuchern in Nachbarschaft zu insektenreichem Brach- oder Grünland.
    Maßnahmen zur Förderung der Neuntöterbestände wirken auch auf andere gefährdete oder bestandsbedrohte Arten positiv, ebenfalls insbesondere aber auf die Avifauna (z. B. Sperbergrasmücke).

Die Methode der kumulativen Betrachtung führt somit im Ergebnis dazu, dass nicht ausschließlich über Flächengrößen ein entsprechender Ausgleich nachgewiesen wird, sondern über Habitatqualitäten.

Neben der Eignungsprüfung für die potenziellen Ausgleichsflächen wurde von der leguan gmbh u. a. auf mathematischer Ebene ein Bewertungskonzept erarbeitet (insbesondere für Brutvögel), mit dem sich die Auswirkungen der Einzelprojekte beschreiben und quantifizieren lassen bzw. die anzustrebende Qualität der Ausgleichsflächen zu bemessen ist (Ermittlung des anzustrebenden Ausgleichswertes).

Unter Anwendung dieser vergleichsweise sehr komplexen Auswertungsmodelle wurden die Einzelprojekte hinsichtlich des Bestandes bewertet, Prognosen über zu erwartene Beeinträchtigungen angestellt und kombinierte Maßnahmenvorschläge für Vermeidung, Verminderung, Ausgleich und Ersatz formuliert. Dabei standen insbesondere die repräsentativen Landschaftselemente:
  • Trockenrasen,
  • Kleingewässer,
  • dörfliche Strukturen und
  • lineare Landschaftsbestandteile (Knicks)
auf der Grundlage des Leit- und Zielartenkonzeptes und deren Vernetzung im Fokus der Betrachtung.

Darüber hinaus wurde auch das Potenzial übergreifender Beeinträchtigungen insbesondere auf Arten mit großem Raumanspruch bzw. auf Metapopulationsebene (Kranich, Wiesenralle) bewertet.

Das hier entwickelte Leit- und Zielartenkonzept bietet zudem die Möglichkeit, die Effizienz der einzelnen Maßnahmen durch fortlaufendes Monitoring konkret zu bemessen. Eine solche weiterführende Beobachtung hätte nicht nur Modellcharakter für weitere, sich kumulativ beeinflussende Projekte im Sinne einer Übertragbarkeit. Darüber hinaus wäre eine relativ spezifische Definition und Herstellung eines auf die tatsächlich verloren gehenden Qualitäten abgestimmten Ausgleichs möglich.

Im Ergebnis zeigte sich, dass in der kumulativen Betrachtung der Einzelauswirkungen ein Ausgleichserfordernis errechenbar war, dass die Gesamteingriffe kompensiert und gleichzeitig dazu beitrug, optimale Habitatqualitäten im funktionalen Zusammenhang mit den jeweiligen Eingriffen zu schaffen. Dadurch, dass die Beeinträchtigungen bezogen auf Metapopulationen im Raum beschrieben und bewertet werden, konnten angepasste Minderungs- und Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen wurden, was generell zu einem insgesamt geringeren Ausgleichserfordernis als bei Einzelbetrachtung der jeweiligen Vorhaben führte.

Projektmitarbeit

Dipl.-Biol. Andreas Albig
Dipl.-Biol. Christopher Boldt
Dipl.-Biol. Tom Müller
Dipl.-Biol. Rolf Peschel

Projektverzeichnis auf dem leguan-Server Zugang nur mit Berechtigung möglich.

Aktualisierung 06.07.2006