Allgemeines Bewertungsverfahren an Hand der naturräumlichen Verbreitung von Arten und Lebensgemeinschaften

Bedeutung von Arten und Lebensgemeinschaften im naturräumlichen Kontext

Mit diesem Bewertungsverfahren wird die Bedeutung der untersuchten Vorkommen von Arten und Lebensgemeinschaften in einem räumlichen Kontext ermittelt, sofern mindestens eine lokale Bedeutung erreicht wird. Um die Einstufungen nachvollziehbar zu machen, wird hier dargestellt, wie die jeweiligen Bedeutungen hergeleitet werden.

Es ist hierbei zu beachten, dass das Verfahren generalisierenden Charakter hat und zusätzlich verfeinerte Bewertungen von Organismengruppen wie z. B. Amphibien zur Stabilität von Populationen oder zur Stabilität von Laufkäfern-Zönosen mit spezifischen und angepassten Verfahren erfolgen können.

Als Grundlage des Systems gilt zum einen der politische Bezugsraum des jeweiligen Bundeslandes bzw. der durch die jeweilige Planung berührten Bundesländer sowie die jeweilige naturräumliche Gliederung.

Am Beispiel von Schleswig-Holstein werden die Grundlagen gezeigt.

Die naturräumliche Gliederung Schleswig-Holsteins (s. Abbildung 1) wird in 4 Hauptnaturräume unterschieden. Das Untersuchungsgebiet der Musteruntersuchung liegt überwiegend im Hauptnaturraum Hohe Geest. Im Norden grenzt der Hauptnaturraum Hügelland an das Untersuchungsgebiet.

Die 4 Hauptnaturräume sind in 22 Naturräume untergliedert. Das Untersuchungsgebiet liegt im Naturraum Lauenburger Geest. Östlich angrenzend befindet sich die Südmecklenburgische Niederung, nördlich das Ostholsteinische Hügel- und Seenland.



Abbildung 1: Naturräumlichen Gliederung Schleswig-Holsteins verändert nach Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) die fett gedruckten Linien stellen die Grenzen der Hauptnaturräume dar.

Die Wertigkeiten ergeben sich aus der Bedeutungsebene gemäß Tabelle 1.

Tabelle 1: Bewertungsstufen der regionalen Bedeutungen für Eingriffsvorhaben in einer fünfstufigen Skala.
Bedeutungsebene Bewertung Punktwert
ohne gering 0
lokal mittel 3
regional hoch 4
landesweit sehr hoch 5
bundesweit sehr hoch 5


Landesweite Bedeutung

Bezugsraum ist ein Bundesland.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften, die vom Aussterben bzw. Verschwinden bedroht oder extrem selten und somit nur an wenigen Standorten im Land vorhanden sind.
    Ebenfalls hierunter sind solche zu fassen, die als ausgestorben oder verschwunden bewertet werden, die aber aktuell im Bezugsraum wieder nachgewiesen wurden.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die dieses Kriterium nicht erfüllen.
    Bei Arten, deren Einstufung nicht passend ist, wird dieses Kriterium nicht angewandt.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die im Bezugsraum (z. B. Untersuchungsgebiet) besonders relevante Vorkommen haben, die aufgrund ihrer besonderen Größe und/oder besonderen Stabilität ein kontinuierliches Besiedlungspotenzial für umgebende Flächen zur Verfügung stellen. Ein Ausfall oder eine nachhaltige oder erhebliche Beeinträchtigung solcher Vorkommen würde signifikante Verbreitungsbarrieren bzw. -lücken bezogen auf das Land erzeugen.
    Ausdrücklich ausgenommen sind Vorkommen, die nicht bestandsbedroht sind.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb der landesweiten Verbreitung wichtige Verbindungselemente darstellen, bei deren Fehlen Migrationen, Ausbreitungstendenzen oder Arealoszillationen bezogen auf das Land nachhaltig oder erheblich beeinträchtigt werden.
    Ausdrücklich ausgenommen sind Vorkommen, die nicht bestandsbedroht sind.

Überregionale Bedeutung

Bezugsraum ist der Hauptnaturraum.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb des Landes einer starken Gefährdung unterliegen und deren Vorkommen im Bezugsraum als relevant für den Erhalt innerhalb des Hauptnaturraums zu bewerten sind.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die dieses Kriterium nicht erfüllen.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die im Bezugsraum (z. B. Untersuchungsgebiet) besonders relevante Vorkommen haben, die aufgrund ihrer besonderen Größe und/oder besonderen Stabilität ein kontinuierliches Besiedlungspotenzial für umgebende Flächen zur Verfügung stellen. Ein Ausfall oder eine nachhaltige oder erhebliche Beeinträchtigung solcher Vorkommen würden auf der Ebene des Hauptnaturraums Verbreitungsbarrieren bzw. -lücken erzeugen. Solche Verbreitungslücken würden Migrationen und ähnliche Bewegungen nachhaltig behindern.
    Ausdrücklich ausgenommen sind Vorkommen, die nicht bestandsbedroht sind.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb der regionalen Verbreitung wichtige Verbindungselemente darstellen, bei deren Fehlen Migrationen, Ausbreitungstendenzen oder Arealoszillationen bezogen auf den Hauptnaturraum nachhaltig oder erheblich beeinträchtigt werden.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die nicht bestandsbedroht sind.
Ausnahmen können Arten darstellen, die nicht als typisch für den jeweiligen Hauptnaturraum anzusehen sind und deren Vorkommen im Untersuchungsgebiet mit denen in angrenzenden Hauptnaturräumen in Verbindung stehen. In diesem Fall wird die Bedeutung des Vorkommens an Hand der Verbreitung im benachbarten Hauptnaturraum gemessen.

Beispiel: Durch anthropogene Bodenveränderungen können Sandtrockenrasen in der Marsch entstanden sein. Derartige Standorte könnten z. B. von Arten, die in der Vorgeest verbreitet sind, erreicht werden. In diesem Fall wäre dann die Bedeutung der Vorkommen an Hand der Situation in der Vorgeest, nicht aber in der Marsch zu beurteilen.

Regionale Bedeutung

Bezugsraum ist der Naturraum.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb des Landes einer starken Gefährdung unterliegen und deren Vorkommen im Untersuchungsgebiet als relevant für den Erhalt innerhalb der Naturraums zu bewerten sind.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die dieses Kriterium nicht erfüllen.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die im Untersuchungsgebiet besonders relevante Vorkommen haben, die aufgrund ihrer besonderen Größe und/oder besonderen Stabilität ein kontinuierliches Besiedlungspotenzial für umgebende Flächen zur Verfügung stellen. Ein Ausfall oder eine nachhaltige oder erhebliche Beeinträchtigung solcher Vorkommen würden auf der Ebene des Naturraums Verbreitungsbarrieren bzw. -lücken erzeugen. Solche Verbreitungslücken würden Migrationen und ähnliche Bewegungen nachhaltig behindern.
    Ausdrücklich ausgenommen sind Vorkommen, die nicht bestandsbedroht sind.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb der regionalen Verbreitung wichtige Verbindungselemente darstellen, bei deren Fehlen Migrationen, Ausbreitungstendenzen oder Arealoszillationen bezogen auf den Naturraum nachhaltig oder erheblich beeinträchtigt werden.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die nicht bestandsbedroht sind.
Ausnahmen können Arten darstellen, die nicht als typisch für den jeweiligen Naturraum anzusehen sind und deren Vorkommen im Untersuchungsgebiet mit denen in angrenzenden Naturräumen in Verbindung stehen.
In diesem Fall wird analog der
überregionalen die Bedeutung des Vorkommens an Hand der Verbreitung im benachbarten Naturraum bemessen.

Lokale Bedeutung

Bezugsräume sind funktional abgrenzbare Biotopkomplexe wie z. B. Seen (einschließlich der Verlandungsgürtel), Flusstäler, ausgedehnte Grünlandflächen oder Dörfer analog den Landschaftstypen nach
FLADE.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb des Landes einer Gefährdung unterliegen und deren Vorkommen im Bezugsraum als relevant für den Erhalt innerhalb des Biotopkomplexes zu bewerten sind.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die dieses Kriterium nicht erfüllen.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die im Untersuchungsgebiet besonders relevante Vorkommen haben, die aufgrund ihrer besonderen Größe und/oder besonderen Stabilität ein kontinuierliches Besiedlungspotenzial für umgebende Flächen zur Verfügung stellen. Ein Ausfall oder eine nachhaltige oder erhebliche Beeinträchtigung solcher Vorkommen würde lokale Verbreitungsbarrieren bzw. -lücken bezogen auf die Region erzeugen.
  • Vorkommen von Arten und/oder Lebensgemeinschaften oder Biotopen, die innerhalb der lokalen Verbreitung wichtige Verbindungselemente darstellen, bei deren Fehlen Migrationen, Ausbreitungstendenzen oder Arealoszillationen lokal beeinträchtigt werden. Erhebliche Beeinträchtigungen dieser Bestände sind in der Regel nicht gegeben, da die Bestandsbedrohung bezogen auf die hier behandelten Vorkommen in der Regel nur lokal ist.
    Ausdrücklich ausgenommen sind solche, die nicht bestandsbedroht sind.
Auf Grund der unterschiedlichen Lebensweise der untersuchten Organismengruppen, können die Biotopkomplexe meist nur artengruppenspezifisch abgegrenzt werden. Während für Fische z. B. ein Entwässerungssystem als Gewässerverbund mit gemeinsamen Vorfluter als funktional zusammengehörig abzugrenzen ist, ist die funktionale Zusammengehörigkeit für terrestrisch lebende Organismen mit dieser Gewässer- und Biotopstruktur in der Regel nicht zur Deckung zu bringen.

Geringe Bedeutung

Alle weiteren Vorkommen sind von geringer Bedeutung. Hierzu können auch Arten oder Lebensgemeinschaften gehören deren Bestände landesweit zwar als gefährdet gelten, eine Gefährdung im Bezugsraum jedoch nicht festgestellt werden kann.

Aktualisierung: 22.08.2006